Wie ein mittelalterliches Marienbild erstrahlt das Gesicht von Mandy (unglaublich wandlungsfähig Andrea Riseborough) von der Leinwand. Zeitweise erinnert die junge Frau an ein scheues Reh, dann wieder haftet ihr mit billiger 80er Jahre Brillenfassung etwas Nerdiges an, zwischendurch erscheint sie als selbstbewusste Künstlerin, wenig später glaubt man ein Hexenwesen vor sich zu haben. Eine Narbe auf der Wange und eine Geschichte aus der Jugend lassen erahnen, Mandy ist in ihrem Leben nicht nur Gutes widerfahren. Doch bei Holzfäller Red (großes Comeback für Nicolas Cage) fühlt sie sich wohl. Das Paar erzählt sich Geschichten, sieht fern oder macht es sich nach einem nächtlichen Bad im See am Lagerfeuer gemütlich. Ein friedliches Leben inmitten einer idyllischen (modernen) Hütte im Wald. Doch man ahnt es schon: das Glück ist – wie es im Horrorfilm nun mal so ist- nicht von langer Dauer.
Bei einem Spaziergang fällt der Blick von Sektenführer Jeremiah auf die junge Frau. Dieser ist fortan besessen von ihr und will sie in die Gruppe seiner Jüngerschar aufnehmen. Doch Mandy widersetzt sich, nachdem sie mit Hilfe einer Art von Skorpion unter Drogen gesetzt wurde. Und so muss der gefesselte Red in seinem eigenen Heim mitansehen wie die Liebe seines Lebens vor seinen Augen bei lebendigem Leibe verbrannt wird.
Auf LSD mit der Axt gegen Höllenbrut
Spätestens dann läuft auch Nicolas Cage zu Höchstform auf. In Unterhose, Tennissocken und geschmacklosen Tigershirt gekleidet wird der Schmerz mit dem Leeren einer Wodkaflasche hinuntergespült, der exzentrische Nachbar um eine Armbrust gebeten und schnell noch ein archaisches Kriegsgerät geschmiedet. Der Jagd auf Jeremiah und seinen Jüngern kann nur mehr eine Gruppe von auf LSD hängen gebliebenen dämonischen Bikern, die von Jeremiah zur Unterstützung gerufen wurden, im Wege stehen. Doch der Rache eines Liebenden kann auch diese „Höllenbrut“ nichts entgegensetzten.
Wer bei der unansehnlichen Gruppe von Schlächtern nicht zumindest einmal an „Hellraiser“ denkt, der ist filmisch nicht in den 80er Jahren „sozialisiert“ worden oder schlicht kein Fan von Horrorfilmen. Nicht der einzige Verweis, der sich finden lässt. Dario Argento (vor allem was die intensive Farbgestaltung betrifft) und Joe Dante („Gremlins“) lassen grüßen. Aber auch etwas von Lars van Triers „Antichrist“ vermeint man sanft durch die Wälder schimmern zu sehen. „Mandy“ ist ein Feuerwerk an Zitaten und Verweisen, das Spaß macht zu entdecken. Ein unterhaltsames Stück filmische Popkultur.
Als Beschwörung der Filme, Musik und Kunst, mit der er aufgewachsen ist, sieht der in den 70er Jahren geborene Cosmatos seinen im Jahr 1983 angesiedelten Film, bei dem er ursprünglich an eine Rock Oper dachte.
Untermalt von den Synthesizer- und Metal-Klängen des jüngst verstorbenen isländischen Filmmusikkomponisten Jóhann Jóhannsson bewegt sich Cage durch eine Landschaft, die an einen Ausflug nach Mordor aus „Herr der Ringe“ auf Trip erinnert. Es sind Bilder, die sich regelrecht ins Hirn brennen. Die dazwischen geschnittenen Animationsszenen, in denen Mandy in der Phantasie ihres Rächers zur Kriegsgöttin stilisiert wird, erinnern an so manches Cover eines Heavy Metal Albums.
„Mandy“ ist mit Sicherheit kein Film für jedermann. Aber für Liebhaber des 80er Jahre Genrekinos ein absolutes Muss. Fans von Nicolas Cage sollten sich den abgefahrenen Roadtrip schon gar nicht entgehen lassen. Definitiv Kultstoff.
Mandy. Ein Film von Panos Cosmatos. Mit Nicolas Cage und Andrea Riseboroughs. USA 2018. 120 Minuten.
Kinostart: 28. September 2018
© Thimfilm
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